Holzschädlinge im Meer

Der Ausspruch "Holland in Not" findet häufig Verwendung zur Beschreibung eines unvorhergesehenen Ereignisses mit einschneidender oder sogar katastrophaler Wirkung. Welches biologische Phänomen dahinter steckt und warum auch die Unterwasser-Archäologie betroffen ist, erklären wir hier.

Hungrige Krebse

Sie sind klein und unscheinbar wie ein Reiskorn. Ihr Hunger auf Holz ist jedoch enorm: Bohrkrebse. Mit ihren gut entwickelten Mundwerkzeugen nagen sie unter Wasser reich verzweigte Gänge in alle Arten von Hölzern.

Langsam, aber stetig

An der Zerstörung von Holz im Meer sind unter den Krebsen vor allem die sogenannten Bohrasseln beteiligt. Sie besitzen ihre größte Artenvielfalt in subtropischen und tropischen Gebieten. Die häufigste Art ist die Holzbohrassel, Limnoria lignorum. Sie ist nur knapp 5 mm lang und besiedelt im Meer frei liegende Hölzer und Holzkonstruktionen. Sehr wahrscheinlich ist die Holzbohrassel in den Holzplanken von Schiffen über die ganze Welt verbreitet worden. Die Verdauung von Zellulose, Hemizellulosen und Lignin, den Hauptbestandteilen von Holz, erfolgt durch die Bildung eigener Enzyme und nicht wie bei vielen anderen Organismen unter Mithilfe symbiontischer Bakterien. Das Holz kann von der Holzbohrassel jedoch nur als Nahrungsquelle erschlossen werden, wenn es bereits von Pilzen befallen ist, die den Krebsen lebenswichtige Eiweiße und Vitamine liefern.

Klein wie ein Reiskorn, aber großen Hunger auf Holz:
Die in der Nordsee vorkommende Holzbohrassel (Limnoria lignorum).

 

Wegen der notwendigen Sauerstoffzufuhr dringt die Holzbohrassel - im Gegensatz zu den Bohrmuscheln - nur selten tiefer als 1-2 cm in das Holzinnere ein. Dabei wird zunächst das Weichholz gefressen, das Hartholz bleibt lamellenartig stehen. Die Oberflächen der rundlichen, bis zu 2 mm weiten Gänge der Bohrasseln werden in regelmäßigen Abständen durchbrochen, damit das zur Atmung benötigte Frischwasser noch besser eindringen kann. Ein Pärchen erzeugt im Frühjahr bis zu 12 Larven. Ab Sommer bohren dann die Jungtiere vom Muttergang aus Seitengänge, die sie erst gegen Ende des Winters zum Schwärmen verlassen.

Bohrasseln (Limnoria spp.) gefährden das venezianische Wrack Gagliana: Ein geborgenes Brett zeigt die typischen Durchbrüche an der Holzoberfläche (grüne Pfeile), aber auch eine weitergehende Zerstörung mit schon offenliegenden Fraßgängen (blaue Pfeile).



 

Da nur die oberflächlichen Schichten unterhöhlt werden, die dann nach und nach durch Wellenschlag und Wasserbewegung zerstört und abgetragen werden, geht die Holzzerstörung durch die Bohrasseln auch bei Massenbefall wesentlich langsamer voran als bei den Bohrmuscheln. Während Bohrmuscheln Rundhölzer von 30 cm Durchmesser innerhalb von einem Jahr zerstören können, benötigen Bohrasseln dafür rund zehnmal mehr Zeit. Das Resultat ist letztendlich aber dasselbe: Holzschiffe, ihre antiken Überreste und alle statischen Konstruktionen aus Holz sind im Meer durch die Bohrassel gefährdet. In früheren Zeiten wussten sich zumindest die Seefahrer zu helfen. Um die Bohrasseln in den Planken vollständig zu eliminieren, fuhren sie regelmäßig Süßwasserhäfen an. Bohrasseln vertragen kein Süßwasser und können im Gegensatz zu den Bohrmuscheln ihre Bohrlöcher nicht aktiv verschließen.

Gemeinsam ist man stärker

Der 5 mm lange Bohrflohkrebs, Chelura terebrans, erzeugt ein ähnliches, jedoch weniger stark ausgeprägtes Schadbild als das der Holzbohrassel. Beide Arten kommen weltweit oft vergesellschaftet vor. Der Bohrflohkrebs frisst Holz, nimmt aber auch seinen Kot sofort bei der Abgabe wieder zu sich. Dabei wird der Hinterleib nach vorn gekrümmt, der Kot durch besonders gestaltete Gliedmaßen ergriffen und zur Mundöffnung geführt. Durch dieses "Wiederkäuen" wird das Holz naturgemäß viel besser ausgenutzt. Große Dichten kann der Bohrflohkrebs jedoch nur erreichen, wenn er zusätzlich genügend Kot der Holzbohrassel zum Fressen vorfindet. So sorgt der Bohrflohkrebs für saubere Gänge der Holzbohrassel, so dass die Belüftung verbessert wird und die Holzbohrassel sich besser fortpflanzen kann.

Tritt häufig zusammen mit der Holzbohrassel auf:
Der Holzflohkrebs (Chelura terebrans).

 

Im Gegensatz zu den Bohrmuscheln, die in ihren unverzweigten Bohrgängen allein leben und sie zeitlebens nicht mehr verlassen, bilden die Bohrkrebse ein regelrechtes System von Bohrgängen, in denen Alt- und Jungtiere auch unterschiedlicher Arten nebeneinander vorkommen können. Bohrkrebse können zudem aktiv ihre Bohrgänge verlassen, um an anderer Stelle neu zu siedeln. Der Bohrflohkrebs schwimmt dabei deutlich rascher als die Holzbohrassel durch das Wasser.

Zeit heilt unter Wasser keine Wunden

Wie bei den Bohrmuscheln bleibt auch bei den Bohrkrebsen ein Befall in den meisten Fällen lange Zeit unentdeckt. Wird ein Befall sichtbar, ist die Schädigung oftmals bereits weit fortgeschritten. Trotz des vergleichsweise langsamen Fortschritts der Zerstörung durch Bohrkrebse reichen schon wenige Jahre bis Jahrzehnte, um im Meer befindliche Holzkörper nachhaltig zu schädigen und wichtige Elemente (z.B. Schnitzereien) unwiederbringlich zu zerstören. Bohrkrebse und unter ihnen insbesondere die Bohrasseln sind damit ebenfalls eine wesentliche Bedrohung für den Erhalt kulturhistorisch bedeutsamer Funde in der Unterwasser-Archäologie.

 

Interessante Literatur zum Thema:

  • AWI (undatiert): Schrecken der Seefahrer: die Holzbohrassel Limnoria lignorum. - Alfred-Wegener-Institut, Bremerhaven: 1 S.
  • Kempe, K. (1999): Dokumentation Holzschädlinge. - Verlag Bauwesen, Berlin: 168 S.
  • Moll, F. (1915): Holzzerstörende Krebse. - Naturwiss. Z. Forst- u. Landwirtsch. 13: 178-207.